Klarheit der Lehrperson
Ein Erfahrungsbericht zum bewussten Sprachgebrauch und zur Förderung der Klarheit der Lehrperson
Ich bin Berufsschullehrerin und seit drei Jahren als Dozentin für Kommunikation in der Ausbildung von Lehrkräften tätig. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis zum Thema „gutes Lernen und Lehren“ ist mein tägliches Ziel, deshalb sprechen mir die Ergebnisse der umfassenden Studie zu „gutem Unterricht“ aus dem Herzen. Die „enorme Einflussmöglichkeit der Lehrperson… und die Wichtigkeit, beharrlich zu fragen, was die Lehrintentionen, gefasst als gewünschte Outcomes, sind“ (1), bestärken meine eigenen Erfahrungen im Unterricht sowie in der Lehrerausbildung.
Eine angehende Lehrkraft erzählte, dass ihre Eltern in Russland großen Wert auf ein positives Denken legten. Schon von klein an forderten sie ihre Kinder auf, nicht negativ zu sprechen. Nun ist sie seit 15 Jahren in Deutschland und reflektierte, dass sie mit der deutschen Sprache auch die „deutsche, negative Denke“ und das „Jammern“ übernommen hatte. Sie wird nun verstärkt darauf achten, wieder positiv zu sprechen.
Das Jammern ist auch in vielen Lehrerzimmern verbreitet: „Die heutigen Schülerinnen und Schüler können nicht rechnen und nicht lesen“. Völlig anders klingt der Satz: “Die Schülerinnen und Schüler haben Förderbedarf beim Rechnen oder Lesen“. Ein bewusster Sprachgebrauch führt auch zur Klarheit.
Fendick (1990) (2) untersucht die Klarheit der Lehrperson. Er nennt die Klarheit in der Sprache die Grundvoraussetzung für die Klarheit der Lehrperson. Er definiert Klarheit mit den Begriffen Organisation, Erläuterung, Beispiel geben und angeleitete Übung sowie Bewertung des Lernverhaltens der Lernenden. (3)
Jede Lehrkraft hat eine individuelle Ausdrucksweise. Beim Unterrichten achtet sie nur zum Teil auf die Wortwahl und kaum auf Satzbau und Grammatik. Vor allem die Grammatik transportiert weitaus mehr Botschaften, als es manchmal Worte allein tun.
Klare Formulierungen erleichtern den Lernprozess erheblich. Um erfolgreich zu unterrichten braucht man neben dem Potential an Methoden und einem gutem Curriculum einen wirkungsvollen mündlichen Ausdruck, wohlformulierte schriftliche Ziele in der Unterrichtsplanung sind zu wenig.
Jedes Ziel, ob gedacht oder gesprochen, braucht eine positive Formulierung. Diesen Satz werden wohl alle Pädagogen unterschreiben.
Doch wie sieht die Realität im Schulalltag aus?
Alle diese Aussagen sind Alltagssprache in der Schule, auch ich benutzte sie oft.
Wie die Klarheit kam und was sie bewirkt
2006 begann ich nach einem Seminarbesuch am Lingva Eterna Institut, auf meine Sprache zu achten. Was sage ich, wenn ich um Ruhe bitte? Meine übliche Ermahnung war: „Seid nicht so laut!“ „Schwätzt nicht!“– also Negationen. Mit solchen alltäglichen Formulierungen lenkte ich die Aufmerksamkeit auf das zu Vermeidende. Ich entdeckte in meiner Sprache viele Negationen. Auch mein Denken war negativ besetzt: „Hoffentlich ist keiner der Lernenden bei der Prüfung krank.“ und so weiter. Das Sprachtraining in Bayern eines anerkannten Anbieters von Lehrerfort- und weiterbildungen lenkt den Blick auf den individuellen und auf den allgemein üblichen Sprachgebrauch und sensibilisiert für die Wirkungsweise einzelner Wörter, von Redewendungen und des Satzbaus.
Das Achten auf positive Formulierungen förderte mein eigenes zielgerichtetes Denken.
Beispiele für typische Negationen und eine alternative Formulierung
Beispiele für Negation | Alternative Formulierung |
Achte darauf, dass du keine Fehler machst. | Arbeite konzentriert. |
Lernen Sie, damit Sie keine 5 schreiben. | Lernen, Sie, damit Sie erfolgreich sind |
Hab keine Angst vor der Prüfung. | Bereite dich gut vor und geh mit einem positiven Gefühl in die Prüfung. Sie ist gut machbar. |
So geht das nicht. | Die Fragestellung ist eine andere. Bitte lesen Sie die Frage genau |
Im Unterricht ist Essen nicht erlaubt. | Bitte räumen Sie alle Essensachen in Ihre Tasche. Wir haben jetzt Unterricht. |
Beeilt euch, damit ihr nicht unpünktlich seid. | Geht bitte rechtzeitig los. |
Euer Verhalten ist unmöglich. | Ich erinnere an die Regel: jeder arbeitet leise und alleine. |
Das Referat war nicht schlecht. | Das Referat war gut. Nur die Zusammenfassung am Ende war zu knapp. |
Der Schulleiter hat einen Unterrichtsbesuch angekündigt:Meine Gedanken: Hoffentlich geht das nicht schief. |
Der Schulleiter hat einen Unterrichtsbesuch angekündigt:Meine Gedanken: Ich wünsche mir ein gutes Gelingen und bereite mich gut vor. |
In meinem Unterricht zeigte sich eine klare und positive Wirkung: Die Lernenden können seitdem leichter folgen und machen bereitwilliger mit. Jugendliche brauchen für einen guten Start ins Leben Klarheit und Ziele. Nach Umfragen haben sie oft Angst vor der Zukunft. Was hilft es zu sagen, hab keine Angst? Mit einem zielorientierten Denken helfe ich ihnen, erfolgreich zu sein und eigene positive Ziele zu finden, die sie motiviert verfolgen.
John Hattie betont weiterhin die Wichtigkeit des Kontakts zu den Lernenden. Eine klare und wertschätzende Ausdrucksweise fördert einen friedvollen und von Achtung geprägten Umgang miteinander, im Klassenzimmer, sowie in der gesamten Schule.
Theodor von Stockert sieht in der Sprache an sich schon einen Wert. Sprache „ist ein Element, das Menschen verbindet … und ist die Grundlage für unser Leben. … Sprache hat eine gestaltende Funktion für unsere geistige Entwicklung. … Mit Sprache gestalten wir unser Leben.“ (3) Um “Lernen sichtbar zu machen“ ist eine wertschätzende und klare Sprache hilfreich.
Was ich Ihnen mit auf den Weg gebe
Wie oft hören Sie im Lehrerzimmer „nicht“, „kein“ …?
Ich lade Sie ein, Ihr eigenes Denken und Sprechen zu prüfen und in der Schule mit offenen Ohren zu lauschen.
- Wann formulieren oder denken Sie negativ?
- Wie oft hören Sie Negativsätze?
- Wo steht überall, was nicht erlaubt ist?
- Welche positiven Zielformulierungen lesen und hören Sie in der Schule, die es sich lohnt zu verstärken?
Quelle: Eigener Erfahrungsbericht von Sigrid Strobel, Berufsschullehrerin und Fachdozentin für Lingva Eterna
sprachseminare@sigridstrobel.de / www.sigridstrobel.de
1: John Hattie; Lernen sichtbar machen; Schneider Verlag Hohengehren 2013, S. XXI
2: Fendick, F. (1990). The correlation between teacher clarity of communication and student achievement gain: A
meta-analysis. Unpublished Ph.D., University of Florida, FL.
3: John Hattie; a.a.O., S. 151
4: Theodor von Stockert, Meine Sprache und ich – mit Sprachstruktur Persönlichkeit entwickeln; LINGVA ETERNA Verlag 2012, S. 175
5: eine Karte aus dem Kartensatz; Die Kraft der Sprache; Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf; 80 Karten für den alltäglichen Sprachgebrauch.