Aktivierung und schnelles Feedback mit der Kartenmethode

Die Alexander-von-Humboldt-Schule im hessischen Lauterbach ist ein Gymnasium, welches sich seit einigen Jahren verstärkt mit der Frage beschäftigt, wie die Qualität des Unterrichts weiter verbessert werden kann. Eine konstruktive Unterrichtsatmosphäre soll geschaffen und der Lernzuwachs der Lernenden soll erhöht werden, ohne die Lehrpersonen zusätzlich zu belasten. Dabei spielt das Schulmotto «Jeder Schüler ist uns wichtig» eine grosse Rolle. Im Ganztagskonzept der Schule sind neben verschiedenen sportlichen, musischen und künstlerischen Aktivitäten auch viele individuelle Förderkurse von Lernenden für Lernende zu finden.
Von Anne Marufke

In Gesprächsrunden zur Unterrichtsentwicklung werden vermehrt Grundkonzeptionen von Unterricht und Methoden thematisiert, die den Unterricht für Lernende und Lehrpersonen verbessern sollen. Auf freiwilliger Basis tauschen sich Kolleginnen und Kollegen über empirisch lernwirksame Unterrichtsstrategien aus, z. B. zu Feedback-Methoden oder zur Herstellung von Transparenz für die Lernenden. Verschiedene Forschungsergebnisse und dazu passende Methoden werden jeweils vorgestellt. Diese werden dann von einigen Lehrpersonen im Unterricht erprobt und anschliessend in der Gesprächsgruppe evaluiert. Dieser produktive Austausch geht auch über die Gruppe hinaus. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen zeigen sich an einzelnen Methoden interessiert und übernehmen vorgestellte Ideen auf Probe in ihren Unterricht.

Ein Beispiel: Lernstand sichtbar machen

Im Folgenden wird eine Deutsch-Stunde einer 5. Klasse vorgestellt, in welcher verschiedene, an den Ergebnissen von Lernen sichtbar machen (2015) orientierte Methoden angewendet werden. Die Stunde ist am Ende einer Reihe zu den Wortarten angesiedelt und dient dazu, den Schülerinnen und Schülern den Lernstand aufzuzeigen, also welche Punkte sie schon gut beherrschen und welche Unterthemen einer Wiederholung bedürfen. Wie zu Beginn jeder Stunde wird den Lernenden mitgeteilt, was das Ziel der Stunde ist und wo sich die Klasse auf ihrem Lernweg befindet. Danach folgt eine Aufgabe, die für die Schülerinnen und Schüler zur Routine geworden ist:

Um die Kenntnisse der Personalformen und Zeiten zu überprüfen, werden den Lernenden zehn Vorgaben diktiert (bspw. 3. Ps. Pl. Plusquamperfekt (schlafen), was in «sie hatten geschlafen» umgewandelt werden soll, oder andersherum). Während der Bearbeitungszeit läuft ein für alle sichtbarer Timer an der Tafel, der es den Lernenden ermöglicht, sich ihre Arbeitszeit selbst einzuteilen. Zudem wird so eine zügige Bearbeitung der Aufgabe gesichert und durch die schrittweise Verkürzung der Bearbeitungszeit wird das Lernen sichtbar gemacht. Ein weiterer Punkt, der für die Verwendung des Timers spricht, ist der Spassfaktor, da nach Ablauf der Bearbeitungszeit jeweils ein anderes Geräusch eingestellt werden kann (Vogelzwitschern, Explosion usw.). Die Aufgabe gewährleistet insgesamt bereits zu Beginn der Stunde eine hohe Aktivierung der Lernenden. Jeder Lernende hat nach ca. 8 Minuten etwas geleistet und ist dadurch im Arbeitsmodus für die weitere Stunde. Die Kontrolle der Lösung erfolgt folgendermassen: Eine Schülerin oder ein Schüler liest ihre / seine Lösung vor, die anderen Lernenden heben daraufhin entweder ihre grüne («Ich stimme mit der Lösung überein») oder ihre rote Karte («Ich habe eine abweichende Lösung»). Davon ausgehend kann im Plenum auf verschiedene noch vorhandene Schwierigkeiten eingegangen werden und die Schülerinnen & Schüler können gezielt angesprochen werden.
Im weiteren Stundenverlauf werden die Rückmeldekarten unter anderem auch bei der Kontrolle einer Aufgabe zur Bestimmung von Wortarten in ganzen Sätzen eingesetzt. Auch hier erfolgt die Rückmeldung der Lernenden schnell und klar identifizierbar. Während dieser Rückmeldephasen ist es für die Lehrperson wichtig, sich Knackpunkte zu notieren, um im weiteren Verlauf der Einheit auf noch vorhandene Schwierigkeiten eingehen zu können. Den Abschluss der Stunde bildet die Reflexionsphase. An der Tafel stehen die den Lernenden aus anderen Stunden schon bekannten Satzanfänge wie z. B. «Ich kann schon gut…», «Ich habe noch Probleme bei…», «Ich habe jetzt verstanden / noch nicht verstanden…», welche eine weitere Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernstand erfordern. Zusätzlich bildet dies die Grundlage für die Hausaufgabe, in welcher jede Schülerin und jeder Schüler individuell ihre / seine in der Stunde erkannten Schwierigkeiten aufarbeiten soll.

Hinweise zur Einführung der Methode

Bezüglich der vorgestellten Stunde ist hervorzuheben, dass die Lernenden bereits seit zwei Monaten mit den beiden farbigen Karteikarten gearbeitet haben, sie also mit dem Ablauf vertraut sind und genau wissen, was sie beim Vergleichen der Aufgaben zu tun haben. Anfangs waren die Karten natürlich ein willkommenes Highlight für die Lernenden, was in den ersten Stunden für etwas Unruhe bei deren Verwendung gesorgt hat.

Bei der Einführung ist einerseits darauf geachtet worden, den Lernenden transparent zu machen, warum diese Karten für sie als auch für die Lehrperson nützlich sind. Andererseits ist es enorm wichtig klarzustellen, dass alle Lernenden ehrlich mit ihren Lösungen umgehen müssen.

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass den Lernenden bewusst ist, dass mit den Karten keine Bewertungssituation verbunden ist, sondern sie als Mittel zur Verbesserung ihrer Leistungen und des Unterrichtens eingesetzt werden.

Die Methode ist anfangs für die Lehrperson vielleicht etwas abschreckend, da deren volle Wirkung erst einsetzt, wenn sich auf Seiten der Lernenden und der Lehrenden eine Routine entwickelt hat. Inzwischen ist der Umgang mit diesem Rückmeldeinstrument zur Routine geworden. Die Karten befinden sich immer im Hausaufgabenheft und ihre Verwendung wird von vielen Schülerinnen und Schülern mittlerweile eingefordert.

Einsatzmöglichkeiten der Methode

Natürlich sind die Karten nur begrenzt einsetzbar: Zur Abfrage von Antworten, wo es eine richtige Lösung gibt (z. B. in den vorgestellten Grammatikfeldern oder im Bereich der Rechtschreibung), oder zur Erstellung eines Meinungsbildes ist dieses Rückmeldeinstrument sehr zu empfehlen. In anderen Bereichen wie der Diskussion von bestimmten Themenfeldern ist ihre Anwendbarkeit begrenzt. Abschliessend ist zu sagen, dass die Karten in bestimmten Unterrichtsphasen eine hohe Lernaktivität unterstützen und eine produktive Transparenz hergestellt wird, was die relativ kurze Einführungszeit auf jeden Fall wert ist.

Vorteile der Methode im Überblick

Durch die roten und grünen Karten

  • ergibt sich schnell ein Überblick über den Lernstand der Klasse (sowohl für die Lehrperson als auch für die Lernenden);
  • ist eine Identifizierung von falschen Lösungen ohne grossen Aufwand möglich, was eine gezielte Rückfrage und eine Klärung im Plenum ermöglicht;
  • müssen sich alle Lernenden mit der eigenen Lösung auseinandersetzen, die Antwort bewerten und einschätzen, was die Lernaktivität positiv beeinflusst;
  • sind die Lernenden motiviert – besonders die jüngeren Lernenden mögen es, ihre Ergebnisse durch die Karten mitzuteilen.

 

Quellen
Hattie, John A. C. (2015, 3. Auflg.): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von «Visible learning», besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

[lightgrey_box]Anne MarufkeAnne Marufke
Lehrerin an der Alexander-von-Humboldt-Schule Lauterbach[/lightgrey_box]